Bernd Lohse
Geistliches Tun bleibt Geschenk
Die folgenden Sätze über Beten, Pilgern und Glauben sind Anregungen, keine Gesetze, Angebote aber kein Zwang. Selbstdisziplin ist ein großer Schatz, aber kein Selbstzweck. Auch in spirituellen Dingen sind Freiheit, Leichtigkeit und Humor hilfreiche Begleiter auf dem Weg in die Tiefe.
Beten:
- Nimm dir eine einfache Übung für jeden Tag vor: z.B. in Ruhe einen Psalm laut oder leise lesen oder die Losungen lesen und bedenken, das reicht völlig für den Einstieg. Später können die Texte eines Bibelleseplans gelesen werden.
- Sorge dafür, dass dich niemand stört, schalte Telefon und andere Störquellen aus.
- Sieh zu, dass du deine tägliche Gebetszeit einhältst. Ein fester Zeitpunkt im Tageslauf, ein fester Ort und kleine Rituale (Durchatmen, Kreuzzeichen o.ä.) können helfen.
- Mach dich nicht abhängig von deinen Stimmungen. Suche dir rechtzeitig vorher geeignete Texte aus und bleibe bei dem Ausgewählten. Gebete, Bibeltexte, Psalmen können ein hilfreicher Kontrast zu unseren Stimmungen sein. Wenn du dir keinen Text ausgesucht hast, kannst du fünf Minuten schweigen und ein Vater Unser beten.
- Sitze bequem, so dass der Atem fließen kann und setze dich mit nichts unter Druck. Niemand erwartet etwas oder beurteilt dich. Du brauchst nur da sein.
- Wenn du magst, kannst du dir eine eigene Liturgie ausdenken: einen Ablauf für dein Gebet. Vertraute Abläufe entlasten und unterstützen. Sei sanft mit dir selbst: wenn eine Gebetszeit misslingt oder unpassend war, dann nimm es mit Humor. Gelassenheit ist Frucht des Gebetes, und ein Fehler, die Chance Unwahrhaftiges zu erkennen.
- Beende deine Gebetszeit mit einem Ritus: Verbeugung, Kreuzzeichen, eine Schlussformel… du findest das, was zu dir passt.
Glauben:
- Glauben ist keine Leistung, sondern ein Geschenk, das du schon empfangen hast.
- Zweifel ist die kleine Schwester des Glaubens und muss nicht bedrohlich sein. Fragen und Zweifel sind eine Gelegenheit, im Glauben voran zu kommen, so wie ein steiler Weg bergauf mühsam ist, aber meistens großartige Ausblicke mit sich bringt.
- Niemand glaubt allein. Im Glauben gehören wir immer schon mit anderen Menschen zusammen, auch wenn wir sie gar nicht kennen.
- Glauben ist kein Besitzen, sondern ein Werden, kein Haben, sondern ein Sein.
- Glauben braucht Gespräch: such dir Menschen, mit denen du dich über deine Glaubensfragen austauschen kannst. Ein guter Ort für Glaubensgespräch ist eine Gemeinde. Hier findest du (hoffentlich) andere Suchende und Neugierige. Und vielleicht passt deine Antwort auf die Frage eines anderen und umgekehrt.
- Glauben ist etwas Intimes. Du bist verletzbar, wenn du von deinem Glauben sprichst und wenn du deinen Glauben lebst. Anderen kann das alles sehr fremd sein. Deshalb mache dich erst vertraut, mit wem du über deine inneren Fragen sprechen möchtest.
- Glauben braucht Wahrhaftigkeit. Aufgesetzte Frömmigkeit stößt eher ab, weil sie unecht wirkt. Freundlichkeit, Humor und Gelassenheit sind gute Früchte des Glaubens.
Pilgern:
- Fange klein an. Geistliche und körperliche Überforderung kann in Enttäuschung umschlagen.
- Such das Gespräch mit erfahrenen Pilgern, wenn du eine große Pilgerwanderung planst. Ihre Erfahrung kann dir helfen, unsinnige Fehler zu vermeiden. Sinnige Fehler musst du selbst machen.
- Reduzier dich. Beschränke dich auf das Wesentliche. Du wirst staunen, wie wenig du brauchst. Leere Seiten. Hab ein Buch mit leeren Seiten dabei, in das du deine Gedanken, Gebete und Erfahrungen notieren kannst. Du wirst staunen.
- Lerne ein paar Lieder auswendig für unterwegs und hab ein Heft mit Psalmen dabei. Bewährte Texte befreien vom Druck der schöpferischen Originalität und verbinden dich mit Pilgern vor dir.
- Bist du Suchender/Suchende? Wen oder was suchst du? Gott sagt: ich habe dich gefunden! Gott ist es, der dich gesucht hat. Du gehst immer schon als Gefundene/r.
- Entdecke die Langsamkeit. Die Dinge werden nicht besser, wenn du sie schnell machst und die Wege kannst du erst genießen, wenn deine Augen schweifen können, deine Ohren weghören und deine Nase hin riechen darf. Bleib hin und wieder stehen, um zu schmecken, wo du gerade bist, innerlich wie äußerlich.
- Komm langsam an. Umrunde das Pilgerziel mindestens einmal. Gehe Schritt für Schritt und dann stelle deinen Rucksack ab, wasch dich, iss und schlaf gut und betrete das Heiligtum am nächsten Morgen.
Einleitung zum Ingnatianischen Tagesrückblick
Am Ende eines Tages tut es gut, sich einen Moment Zeit zu nehmen, um den vergangenen Tag zu betrachten. In der klösterlichen Tradition ist daraus eine Übung geworden, wie z.B. die Tagesrückschau nach Ignatius von Loyola, dem Begründer des Jesuiten-Ordens. Ein Tagesrückblick soll helfen, Körper und Seele in Einklang zu bringen und den Tag bewusst zu beenden, um offen zu werden für die „unbeschriebene“ Ruhe der Nacht. Wichtig ist, von Bewertungen abzusehen und sich auf diese Weise in Distanz zu den Ereignissen des Tages zu gehen, den guten wie den schlechten.