Kokon oder der Trost der Verwandlung
Wir sind aufgerufen, möglichst zu Hause zu bleiben, Kontakte einzuschränken, wo es geht, Home Office zu machen.
So spinnen wir uns ein in unseren Wohnungen und Häusern.
Trendforscher haben vor Jahren schon dafür ein Wort gefunden: Cocooning.
Beim Pilgern geht es bekanntlich vordergründig um eine dazu gegensätzliche Bewegung:
Geh hinaus, bewege Dich durch Gottes Welt.
Schau dabei in Dich hinein, lerne über Dich, was Dir verborgen bleibt, wenn Du zu Hause bleibst.
Es gibt eine Verbindung zwischen dem Cocooning, also, es sich zu Hause möglichst wohnlich einzurichten und dem Pilgern:
Es ist das Wort „Kokon“.
Ihr findet vorne auf Eurem Gottesdienstblatt ein Bild von einem Kokon abgedruckt.
Ein solcher Kokon entsteht in einem mühevollen Prozess der Raupe.
Sie spinnt sich ein und lässt so den Kokon wachsen.
Nach einer Weile verlässt sie dieses Zuhause auf Zeit als ein anderes Wesen, z.B. als Schmetterling.
Auch wenn Du beim Pilgern Dein äußeres Zuhause verlässt, so geschieht Dir doch auf der Pilgerreise das, was auch der Raupe widerfährt:
Verwandlung.
Du wirst nie als die Person zurückkommen als die Du losgezogen bist.
Und zugleich bleibst Du immer Du selbst.
Sich verändern und sich dennoch treu bleiben – das passiert im Kokon, ob er nun stabil zu Hause ist oder beweglich auf Reisen:
Wenn Du pilgerst, ob kurz oder lang, oder auch zu Hause, mit diesen Fragen Deines Lebens spinnst Du an Deinem Kokon der Verwandlung:
Wer bin ich?
Wie habe ich mich im Laufe meines Lebens verwandelt?
Bin ich die oder der geworden, die ich sein soll?
Welche Verwandlungen stehen noch an in meinem Leben?
Bin ich allein in meinem Kokon oder ist darin noch Platz für eine Begleitung?
Ich bin überzeugt, dass wir nicht allein am Lebenskokon spinnen.
Dass unsere Fragen sich ausrichten an einem Gegenüber, das ich Gott nenne.
Und ich spüre manchmal diesen göttlichen Geist in meinem Kokon und hoffe, Euch geht es auch so.
Pastorin Lisa Tsang
Impuls in der Pilgervesper am 5. November 2020 in der Hauptkirche St. Jacobi